Publikation

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Zehn Jahre Lange Nacht der Demokratie -
Neue Publikation zu Konzept, Erfahrungen und Umsetzungsbausteinen



Die Lange Nacht der Demokratie fand erstmals 2012 in Augsburg statt und wird seit 2018 alle zwei Jahre in bayerischen Kommunen veranstaltet. Sie ermöglicht Inspiration, Begegnung und Reflexion zur Bedeutung von Demokratie. In der Nacht vor dem Tag der Deutschen Einheit wird in Städten und Dörfern in vielfältigsten Formaten über Demokratie philosophiert, diskutiert, gestritten und geslammt, Musik und Kultur genossen, gelacht und gefeiert.


Die Lange Nacht der Demokratie ist ein Projekt des Wertebündnis Bayern unter Schirmherrschaft der Präsidentin des Bayerischen Landtags Ilse Aigner. 


Dieses Buch führt die Leserinnen und Leser in die konzeptionellen Hintergründe der Langen Nacht der Demokratie ein. Die Autoren beschreiben praxisorientiert die Erfahrungen mit der Umsetzung und bereiten das Format in zahlreichen methodischen Bausteinen auf. Das Buch richtet sich an Kommunen, Bildungseinrichtungen und Projektplaner:innen, die vor Ort einerseits zivilgesellschaftliche Akteure vernetzen und andererseits Demokratie im öffentlichen Raum für Alle erlebbar machen möchten. Stimmen und Impressionen aus bisher beteiligten Kommunen illustrieren die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen.


Die Lange Nacht der Demokratie lebt von der Begegnung von Menschen, die sich sonst nicht treffen würden, sie bringt unterschiedliche Milieus zusammen und macht Lust auf einen streitbaren Austausch mit anderen Perspektiven. Sie findet an interessanten Orten und an zentralen Plätzen statt. Im Austausch von Politiker:innen, Bürger:innen und Medien wird Demokratie konkret und ‚anfassbar‘. Die Lange Nacht der Demokratie ist ein Paradebeispiel für ‚niedrigschwellige politische Bildung‘ – und ist dabei tiefsinnig, anregend und durchaus fordernd für alle, die sich darauf einlassen. Die Kooperation von ganz unterschiedlichen Akteuren, die ihre jeweiligen Erfahrungen, Ressourcen und Zugänge zu unterschiedlichen Zielgruppen mitbringen, ist dabei entscheidend. Diese Vernetzung in der Kommune wirkt auch über die eigentliche Veranstaltung hinaus und unterstützt weiteres zivilgesellschaftliches Engagement. Entsprechende Planungsschritte, die diesen Prozess selbst zu einem motivierenden Erleben von Demokratie vor Ort machen, werden hier detailliert beschrieben.


Den Flyer zum Buch finden Sie hier.


Im Buchhandel erhältlich

170 Seiten mit zahlreichen Abbildungen

Format: 160 x 240 mm

Preis: € 19,80 / ISBN: 978-3-86281-177-9

Bestellung unter: www.klemm-oelschlaeger.de





Rezension der Publikation
Rolf Sprink, Leiter der VHS Leipzig 1996-2015


(erschienen in Hessische Blätter für Volksbildung 1/2023)


„Die Lange Nacht der Demokratie ist ein Event, ein Fest, das mit Leichtigkeit und Fröhlichkeit informelles Lernen in einem guten Rahmen anbietet.“ So die knappe Charakterisierung eines Projekts des Netzwerks Politische Bildung Bayern, dessen erste Durchführung vom 2. zum 3. Oktober 2012 in Augsburg stattfand, 2018 erstmals bayernweit in zehn Kommunen veranstaltet wurde und 2021/22 die Beteiligung von über 50 Kommunen in Bayern erlebte. Die Publikation bietet zum einen die Dokumentierung mehrjähriger Erfahrungen und versteht sich zum anderen als praxisbezogene und motivierende Handreichung für Akteure, die eine Lange Nacht der Demokratie in ihren Kommunen etablieren wollen – und das durchaus auch in anderen Bundesländern.


Die Schirmherrin der Langen Nacht der Demokratie 2022, die Präsidentin des Bayerischen Landtags Ilse Aigner, wirbt in ihrer inhaltlichen Einführung für eine streitbare Demokratie in einer Situation, in der die Demokratie weltweit unter Druck steht und es neuer Formate bedarf, wodurch unterschiedliche Menschen aus Zivilgesellschaft, Medien und Politik auf Augenhöhe zusammengebracht werden können. Die Autoren charakterisieren im anschließenden Teil A des Buches „Hintergrund und Überblick“ das Projekt als eine Form der politischen Bildung, die sich jedoch vom seminaristischen Lernen unterscheidet, indem es niedrigschwellig unterschiedliche Milieus zusammenbringt, die sich sonst nicht treffen würden, und Lust auf einen streitbaren Austausch mit anderen Perspektiven machen will. Beispielhaft werden bereits hier Einblicke in die Praxis vermittelt und Besonderheiten des Ansatzes (u.a. Vernetzung, persönliche Wertschätzung, Wertedialoge) herausgestellt. Als besonders originelle Teilaktionen herausgegriffen seien „Slammen für die Demokratie“ (Kronach 2018), „Die Verfassung in Versen“ (München 2018), „Dancing Democracy“ (Eichstätt 2021) oder „(D)eine Minute für die Demokratie“ (Bayern 2021). In einigen Fällen schloss die Lange Nach der Demokratie eine Woche der Demokratie ab.


Breiten Raum nimmt danach das Kapitel „Gesellschaftspolitischer Hintergrund“ ein, das schonungslos Phänomene und Defizite unserer gespalteten Gesellschaft aufdeckt: Verschwörungstheorien, „Wutbürger“, Rückzug in sichere und abgegrenzte private Räume (auch unter Jugendlichen), der Hang zu Feindseligkeiten gegenüber dem Andersdenkenden. Dem sei (Demokratie-)Kompetenz als soziale Handlung entgegenzusetzen. Das Buch führt mitten hinein in die aktuelle Debatte um Demokratie. Das Konzept der Langen Nacht der Demokratie verstehe sich daher als entscheidenden Beitrag zur Stärkung non-formaler und informeller Kompetenzen jenseits von Wissensvermittlung und wirbt für eine demokratische Streitkultur im öffentlichen Raum.


Und wie funktioniert nun diese besondere Form von Demokratie-Lernen? Dazu äußern sich die Autoren im zweiten Teil B „Umsetzungsbausteine: Menschen einladen“, dem bei Weitem umfangreichsten. Detailliert werden hier gewonnene Erfahrungen aufgelistet, er vermittelt Impulse und motiviert zur Initiative. Zur Aktivierung benutzen die Autoren im Folgenden ein dialogisches Format: Sie „wollen Sie als Leser:innen durch eine direkte Ansprache“ in die Umsetzung einbeziehen. Es beginnt mit „Initiative ergreifen“: dem Finden motivierter Menschen, die sich mit dem Projekt identifizieren; keinesfalls müssen diesem ersten „Stakeholder-Prozess“ Promis und Institutionen angehören, sondern gefragt seien vielmehr „Grenzgänger und Brückenbauer“ aus unterschiedlichen Milieus. Sodann startet mit Blick auf die Umsetzungsplanung der Vernetzungsprozess, wobei Volkshochschulen, Jugendringe, Kommunale Partnerschaften und Netzwerke für Demokratie sowie die Landeszentrale für Politische Bildung bewährte Potenziale bieten.


Der besondere Gebrauchswert der Publikation für Initiativen auch über Bayern hinaus liegt in den konkreten „Umsetzungsbausteinen“, die jeden Gestaltungsschritt begründen und illustrieren. Das betrifft die Einbindung der Öffentlichkeit (Statements von Stakeholdern, Kernaussagen, Social Media, Presseevent, Crowfunding u.a.), den Vorbereitungsprozess (Online- und Präsenztreffen, Spannende Formate im Vorfeld, Organisation von Raum und Rahmen) und den öffentlichen Raum als Ort der Begegnung (Gleiche Augenhöhe, Wertschätzender Rahmen, Dokumentation vor Ort, Sicherung des öffentlichen Raums u.a.). Bei allem Detail- und Erfahrungsreichtum, den die Umsetzungsschritte bieten, taucht mitunter die Frage der Nachvollziehbarkeit auf, z.B. wenn Möglichkeiten von Online-Seminaren mit „zoom“, Vernetzung und Dokumentation mit „padlet.com“, Kreativität und Spielerisches mit „flinga.fi“ oder „yopad.eu“ nicht vorhanden oder bekannt sind. Nicht aus dem Wege gehen die Autoren dem Umgang mit Skepsis und Widerstand. Die Einbeziehung von Parteien wird angesprochen, desgleichen die Gefährdung der Aktion durch Demokratiefeinde. Parteien können keine Mitveranstalter sein, lautet das klare Statement; Rechtsextremisten und Verfassungsfeinden bleibt der Zugang versagt (Hausrecht).


Schließlich: „Der Nachklang als Anstoß zur Verankerung“. Ein möglichst vielstimmiges Feedback und ein Nachtreffen der Stakeholder zwecks Evaluierung bis hin zu Absprachen mit dem Ziel der Verstetigung des Netzwerks sowie zur Verankerung von Lernerfahrungen dienen nicht nur dem Ausblick, sondern fließen auch einer landesweiten Steuerungsgruppe zu, die – nicht zuletzt! – für eine Mittelbeantragung ansprechbar ist. Unterbelichtet bleiben in diesem Zusammenhang generell Finanzbedarfe; vermutlich, weil man von hinreichenden Potenzialen der Akteure ausgeht. Ebenfalls wünschenswert wären Evaluationsbefunde bzgl. Teilnehmerzahl, Medienecho u.ä.

Neben Grafiken und Checklisten unterstützen zahlreiche Porträts von Projektbeteiligten und deren Aussagen die Lesbarkeit des Buches. Zu Wort kommt auch der Verleger, Ulrich Klemm, Honorarprofessor für Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der Universität Augsburg, indem er die Intention des Bandes wie folgt beschreibt: „Selbstorganisation und die Übernahme von Verantwortung für sich und das Gemeinwesen sind das grundlegende Werkzeug für demokratische Entwicklungen.“   

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